Montag, 27. April 2009

Mackay als Mensch


John Henry Mackay als Mensch. Auf Grund langjährigen freundschaftlichen Verkehres dargestellt von Friedrich Dobe. Koblenz, Ed. Plato.

"Dieses von Dr. Friedrich Dobe 1944 verfaßte und im Besitz der Handschriftenabteilung der Deutschen Staatsbibliothek, Berlin / DDR befindliche Manuskript ist mit deren freundlicher Genehmigung nachstehend unverändert veröffentlicht."

Autobiographische Auszüge aus dem Werk:

S. 8f
1922 begann ich mich mit Kunstschreiben zu befassen
und plante als eine meiner ersten Buchhandschriften eine mit Mackays ausgewählten Gedichten. Als ich ihm meine Entwürfe vorlegte, gefielen ihm diese so sehr, daß er mir für die Ausführung zwölf Bogen seines holländischen Büttenpapiers versprach, daß er mit seinem Namenszug als Wasserzeichen für die Stirner-Monumentalausgabe bei van Gelder Zoonen hatte herstellen lassen. Der Sendung, in der mir das Papier zuging, hatte er einen flüchtigen Zettel beigelegt, wie sie für ihn charakteristisch waren, mit einer Art humoristisch-fröhlichen Widmung. Diesen Zettel hatte ich aufbewahrt und nach Vollendung der Handschrift hinten als Beilage miteingeheftet. Als ich ihm aber den fertigen Band zeigte, und er seinen Zettel fand, bestand er darauf, daß dieser, "zu schlecht geschrieben", entfernt werden müsse. Er wolle mir den gleichen Wortlaut anständig schreiben, der flüchtige Zettel müsse aus dem Buche heraus! Da er nicht davon abzubringen war, gab ich ihm den Zettel zurück und empfing am nächsten Tag mit der Post den schön mit der Maschine geschriebenen und mit schwungvoller Handschrift unterzeichneten Büttenbogen, der sich jetzt in dem Buch befindet.

S. 9
Ein anderes Mal, bei ähnlicher Gelegenheit, war ich klüger. Er wollte gern von der zweiten Gesamtausgabe von Sagitta ein Exemplar in Leder gebunden haben. Ich sagte ihm zu, unter der Bedingung, daß auch ich mir ein solches binden dürfte. Er schickte mir darauf zwei Exemplare in losen Bogen, von denen das eine mit der Sondernummer "Dobe" durch ein Papierband zusammengehalten war, mit den flüchtig in Bleistift geschriebenen Worten: "Extrawurst Dobe als Geschenk von Sagitta". Diese Notiz schnitt ich aus und heftete sie in mein Exemplar in dem Bewustsein, damit ein Unikum zu haben, denn ich glaube nicht, daß es noch weitere Exemplare von Sagitta mit einer persönichen Widmung des Dichters gibt. Klug durch die Erfahrung mit der Handschrift, habe ich ihm diesen Band allerdings niemals gezeigt.

S. 16
Ich erinnere mich nur einer einzigen öffentlichen Versammlung, an der er teilgenommen und auf der er das Wort ergriffen hat: Im März 1918 war mit auf seine Veranlassung hin ein Aussprache-Abend mit Georg Blumenthal und den sogenannten Neophysiokraten im "Heidelberger" in Berlin zu Stande gekommen, ...

S. 16
Seine Kleidung war, als ich ihn im April 1905 kennenlernte, ...

S. 17
An den Wänden hingen Bilder, an die ich mich bis auf eines nicht mehr erinnere. Dies eine stellte das Brustbild eines jungen Römers dar und war ein Ölgemälde, das Benedict Friedländer einst in Rom hatte malen lassen und das einst dessen Speisezimmer geschmückt hatte. Von ihm hatte Mackay es 1908 geerbt und, noch zu seinen Lebzeiten (um 1930), mir vermacht.

S. 21
Mich erbarmte es als Biologen ...

S. 23
In Florenz hat er den alten Böcklin ... besucht ... Dabei habe ihm der alte Meister seine Fotografie geschenkt, die mit ein paar Lorbeerblättern aus Böcklins Garten in einem Holzrahmen mit den Daten der Besuche auf einem der Paneele in Mackays Arbeitszimmer stand und später in meinen Besitz übergegangen ist.

S. 23
Als der Sagitta-Prozess verloren war, floh der Dichter nach Cava dei Tirreni, einem überaus malerisch gelegenen Ort an der höchsten Stelle der Bahn zwischen Neapel und Salerno, ... Es war ein seltsamer Zufall, daß Mackay und ich unabhängig voneinander in dies Gasthaus gekommen waren und zu verschieden Zeiten dort gewohnt und Frieden gefunden hatten.

S. 24
Dieser Hans Georg Meyer, Professor am Grauen Kloster in Berlin und seinerzeit mein hochverehrter Lehrer ...

S. 24
... ich saß in dem tiefen Klubsessel, der nach seinem Tode in meinen Besitz übergegangen ist.

S. 24
Wir rauchten ...

S. 25
In den langen Jahren unseres Verkehrs ist er nur einige Male bei meiner Mutter und einmal bei meinen Schwestern zum Kaffee zu Gast gewesen ...

S. 30
So kennen wir bis auf wenige belanglose Ausnahmen von Stirner keine Briefe. Mackay wünschte dies auch von sich und hat alle seine Freunde und Bekannten gebeten, seine Briefe zu vernichten oder ihm zurückzugeben. Ich habe zum Glück keines von beiden getan und besitze daher eine Mappe voll zum Teil höchst charakteristischer Briefe des Dichters. Er schrieb meist mit Maschine, nur selten mit Hand.

S. 31
Aus Stirners Besitz kennt man fast keine Bücher, obwohl er deren doch gehabt haben muß. Mackay (Max Stirner, 3. Aufl. Seite 223) führt zwei Bücher an, die Stirners Namenszug tragen, die ihm also wahrscheinlich gehört haben. Von ihnen ist das Düntzersche über Goethes Faust in meinen Besitz übergegangen samt einem dritten über die aus Ansbach und Bayreuth stammenden Schriftsteller, dessen Inhalt den aus Bayreuth stammenden Stirner interessiert haben könnte.

S. 32
Wenn Mackay Bücher aus seinem Besitz (nicht von ihm verfaßte!) verschenkte, entfernte er sorgfältig alle Zeichen, die ihn als Vorbesitzer hätten ausweisen können, oft unter Beschädigung des Buches. So hat er aus beiden Bänden der deutschen Ausgabe von Buckles Geschichte der Civilitation in England sowie aus dem Buch über Korsika von Gregorovius, die er mir geschenkt, um Platz in seinen Regalen zu schaffen, je das erste Blatt einfach herausgerissen ...

S. 33
... er und ich haben einander öfters mit Summen bis zu tausend Mark ausgeholfen ...

S. 33
Wir waren ja unter uns Anarchisten.

S. 51
Nachdem ich durch Friedländer befruchtende Anregungen die Ziele des Wiss.-Hum.-Komitees als berechtigt anzusehen gelernt hatte, dehnte ich meine eigenen Studien auch auf dies Gebiet aus und lernte dadurch eine große Zahl Männer kennen, teils sogenannte "Tanten", d.h. mit der Nosos theleia geschlagen, vorwiegend aber ernst zu nehmender Männer aller Altersstufen, denen niemand ihre Veranlagung anmerkte.

S. 51
Wir fanden uns zuweilen alle auf den Sitzungen des Wiss.-Hum.-Komitees, wo ich selbst mehrmals Vorträge hielt, einmal über Platons "Gastmal" , ein andermal über "Antike Weiberschätzung".

S. 51
Allein die Gegensätze im Wiss.-Hum.-Komitee spitzten sich zu, und als Friedlaender gar dem Dr. Hirschfeld unsaubere Geldgeschäfte vorwarf, kam es zum offenen Bruch. Auf der Vorstandssitzung, wo dies geschah und die in Hirschfelds Wohnung stattfand konnte Friedländer nicht erscheinen, da er schwer erkrankt war; er hatte mich als Beauftragten mit Informationen geschickt.

S. 52
Ins Wiss.-Hum.-Komitee wollten wir nicht zurück, und so wurde dies die Geburtsstunde der später von Friedlaender sogenannten "Sezession des Wiss.-Hum.-Komitees".

S. 53
Einen davon, Achille genannt, den er [Benedict Friedlaender] besonders liebte, hat er sogar als jungen Römer in Öl malen lassen, ein Bild, das er Mackay vermachte, von dem ich es später erbte.

S. 53
Der erste solche Abend [von Friedlaender organisiert], bei dem ich eingeladen war, fand im April 1905 statt. Auf ihm las ein junger Medizinstudent namens Hartwig eine größere Dichtung vor, ... Mackay war eigens deshalb gekommen, und so habe ich ihn an diesem Abend kennengelernt.

S. 55
Aus ähnlichen Gründen wurde aus einer Neu-Auflage von Platons "Gastmahl" nichts, die ich übersetzt und zu der Friedlaender sehr lesenswerte Anmerkungen geschrieben hatte.

S. 57
Im Frühjahr 1908 verließ ich Berlin auf fast 6 Jahre, die ich teils auf Reisen, teils in Stellungen außerhalb Berlins zubrachte.

S. 58
Ich war sehr beglückt und stolz auf dieses Vertrauen, und noch stolzer, daß Mackay, um allen sogenannten Ehrungen aus dem Wege zu gehen, an seinem 50. Geburtstage, dem 6.2.1914, zu mir nach Bukow im Märkischen Höhenlande kam, wo ich damals wohnte.

S. 58
Er überbrachte mir eine Ausgabe seiner Gedichte mit einer persönlichen Widmung ...

S. 58
... und sein Bild, das seitdem eingerahmt bei mir an der Wand hängt.

S. 59
Am 31.3.1914 zog ich nach Berlin ...

S. 60
Ich habe diese Jungen zuweilen auch gesehen und gesprochen, und dabei ging mir, dem der Sache [Homosexualität] an sich Fernstehenden ...

S. 68
Der Krieg hatte den Dr. Hartwig wie mich zum Anarchisten gemacht, und so sah Hartwig seine Aufgabe darin, sich selbst und alle, die ihm nahe standen, vom Heeresdienst zu befreien.

S. 78
Im Laufe des Jahres 1924 besuchten wir planmäßig die im Berliner Volksmund so genannten "schwulen" Kneipen, indem wir aus der Zeitschrift "Die Freundschaft" den bezüglichen Ankündigungen folgend, und zwar mit solcher Gründlichkeit, daß wir keine einzige ausließen, so schwer sie sich auch oft finden ließen.

S. 79
Im Sommer und Herbst 1924 ging der Dichter keine Verabredungen ein: "Sie treffen mich, so oft Sie wollen, immer von sechs Uhr abends an im Marienkasino!" und ich leistete ebenso wie Dr. Hartwig diesem Wort Folge, sooft ich konnte.

S. 82
Im Mai 1918 verkaufte er mir das große Lotterbett aus dem Alkoven seines Arbeitszimmers sowie drei schwere eichene Polsterarmsessel...

S. 85
Ich erwarb für mich [aus dem Nachlass von Mackay] den rotledernen Klubsessel aus dem Arbeitszimmer des Dichters, den vierten gepolsterten Armlehnsessel (zu den drei bereits früher von mir erstandenen) und das Reiseschreibzeug von des Dichters Vater, einen sehr solide aus Mahagoni und Messing gearbeiteten aufklappbaren Kasten.

S. 86
"Wollen Sie sie haben?!" "Ja!" sagte ich und übernahm damit den Restbestand der Sagittabände, alle Rechte daran und das "Geheim-Buch", das Mackay 1924 als Mitgliederverzeichnis der Hundert Sagittas angelegt hatte. Die "Hundert" waren aber nur 45.

S. 92 (Nachwort von Zube)
Auch Dobes eigener Nachlaß enthält in dem erwähnten Briefwechsel mit Mackay sicher wertvolles Material. Aber dessen Verbleib ist unbekannt.

Stand: Juni 2019