Samstag, 15. Juni 2019

Der individualistische Anarchist


Der
individualistische
Anarchist

Herausgeber Benedict Lachmann

Erscheint am 1. und 16. jeden Monats.

Einzelhefte à 1,- Mark, Abonnement vierteljährlich 6 Hefte 5,- Mark durch jede Buchhandlung oder direkt durch den Verlag.

Empfehlungen, Werbung und Bekanntgaben auf den Umschlägen: hier

Vorwort:

Der individualistische Anarchismus.

   Einige Freunde der persönlichen Freiheit haben sich vereinigt, um an der Verbreitung der Gedanken Stirners und der Weltanschauung des individualistischen Anarchismus mitzuwirken und sie mit allen Kräften zu fördern. Sie sehen mit Bestürzung auf die politische Entwickelung, welche nach dem grauenvollen Kriege in allen Kulturstaaten teils im Entstehen begriffen ist, teils bereits erhebliche Fortschritte gemacht hat. Sie wehren sich dagegen, daß an die Stelle einer gestürzten Diktatur der Autokratie eine Diktatur des Proletariats tritt.

   Es ist leider noch immer nicht überflüssig, zu wiederholen, daß Anarchismus, Anarchie, nicht Unordnung, Chaos ist. Nur die ewig vererbte Vorstellung, daß Ordnung ohne Herrschaft nicht möglich sei, hat diesen Mißbrauch des Begriffes Anarchismus geschaffen und erhält ihn.

   Anarchismus ist Herrschaftslosigkeit, sein Ziel Ordnung und Freiheit, d.h. die Beseitigung jeder aggressiven Herrschaft und Gewalt und jedes aggressiven Zwanges. Nicht weniger glühende Verfechter einer gerechten Güterverteilung als irgend ein Sozialist, irgend ein Kommunist, sehen wir den Weg zur Lösung der sozialen Fragen nicht in einer Verstärkung der Staatsautorität, sondern im Gegenteil, in der Herrschaftslosigkeit, dem Anarchismus. Herrschaft, Zwang und Gewalt finden ihren Ausdruck in den Monopolen und Privilegien. Ihnen gilt daher der Kampf der Anarchisten.

   Der Hort aller Monopole und Privilegien ist der Staat, der, ganz gleich, ob seine Form absolutistisch, demokratisch oder sozialistisch, die aggressive Forderung darstellt, innerhalb gewisser Grenzen ausschließlich und verbindlich für alle dort Wohnenden diesen ihr Verhalten vorzuschreiben und die Nichtbefolgung mit Entziehung von Eigentum, Freiheit und Leben zu bestrafen. Der Anarchist bekämpft die gedankenlose Vorstellung, daß eine menschliche Angelegenheit nur auf eine Weise zu regeln sei, die ein Einzelner oder eine Mehrheit als richtig vorschreibt. Er wünscht in seinen Angelegenheiten unbelästigt zu bleiben, solange er selbst nicht aggressiv ist, und andere nicht zu belästigen, solange sie gegen ihn nicht aggressiv werden.

   Der Anarchist schlägt vor, daß nach Beseitigung aller Monopole und Privilegien die Individuen sich nach ihren Interessen in freien Vereinigungen zusammenschließen unter Bedingungen, die sie selbst bestimmen, und daß sie ihre wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen auf der Grundlage der Gleichheit der Bedingungen nach ihrem individuellen Gutdünken und ihren Bedürfnissen regeln. Daß an die Stelle der Monopole und Privilegien die freieste Konkurrenz auf allen Gebieten tritt, die allein es jedem Individuum ermöglicht, das Produkt seiner persönlichen Leistung im freien Verkehr zu verwerten, ohne irgend einem Monopolbesitzer einen Tribut entrichten zu müssen. Er wünscht, daß von dem ganzen Apparat der Staatsverfassungen mit ihren Geboten und Verboten nichts übrig bleibe, als die Verpflichtung jedes Individuums, sich jeder aggressiven Handlung gegen andere Individuen zu enthalten, und die Vereinigung der Einzelnen zur Durchführung dieser defensiven Aufgabe.

   Freiheit ist für den Anarchisten ebenso Ziel wie Mittel. Er verwirft daher jede gewaltsame Bekehrung, jedes Gewaltmittel, jeden Zwang und verabscheut wie jede Diktatur auch jedes diktatorische Mittel.

   Zur Verbreitung dieser Grundsätze und Ziele, zu einer Aussprache über die Klärung der Fragen und die  Art ihrer Durchführung wird vom 1. April ab eine Halbmonatsschrift
"Der individualistische Anarchist"
erscheinen und daneben die Herausgabe größerer Werke in Buchform vorbereitet werden. Die Zeitschrift soll wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche und künstlerische Fragen behandeln.

   Wir bitten alle Freunde der individuellen Freiheit, unser Unternehmen zu fördern, indem sie sich für die Verbreitung der Zeitschrift mit allen Kräften einsetzen. Diejenigen aber, welche nicht oder nur teilweise dieselben Ziele haben, bitten wir, sich in voller Offenheit und Wahrhaftigkeit mit uns über unsere Meinungsverschiedenheiten auszusprechen.

   Alle Sendungen und Zuschriften - Manuskripte zugleich mit Honorarforderungen - werden an die persönliche Adresse des Herausgebers erbeten. Bestellungen auf die Zeitschrift durch jede Buchhandlung oder direkt bei dem Herausgeber.

Berlin W. 30, Eisenacherstr. 34
Der Herausgeber         .
Benedict Lachmann

Aus Heft 8 bis 11:

Aufruf!
 
Der Wunsch, der Bewegung des individualistischen Anarchismus eine breitere Grundlage zu geben, hat von mehreren Seiten zu dem Vorschlage geführt, eine
ins Leben zu rufen.

   Sie soll ein Sammelpunkt für diejenigen werden, welche sich zu der Weltanschauung des individualistischen Anarchismus bekennen und meist zerstreut ohne Fühlung miteinander wohnen. Sie soll die Möglichkeit zur Diskussion über bestehende Verschiedenheiten der Meinungen über einzelne Punkte und die Möglichkeit zu öffentlichen Kundgebungen für die Ziele und Prinzipien des individualistischen Anarchismus bieten. Die meisten unserer Freunde sind der Ansicht, daß es Zeit ist, mit dem bloßen Theoretisieren aufzuhören und mit dem Versuche zu beginnen, die Prinzipien des individualistischen Anarchismus allmählich zu realisieren.

   Diese Vereinigung soll natürlich auf der Grundlage der größten Freiheit begründet werden. Sie wird für denjenigen, der ihr beizutreten wünscht, weder einen Zwang enthalten, ihr länger anzugehören, als er will, noch die Verpflichtung zu irgend einer Tätigkeit oder Leistung außer derjenigen, zu der der Einzelne in jedem einzelnen Falle sich bereit erklärt.

   Die Vereinigung soll also nichts sein, als ein Sammelpunkt, in dem Jeder, der irgend etwas für die Weltanschauung des individualistischen Anarchismus zu tun gedenkt, die Möglichkeit hat, andere Freunde zu finden, die bereit sein könnten, seine Pläne zu unterstützen und sich zu ihrer Durchführung zu verbinden.

   Ich bitte Alle, welche sich einer solchen Vereinigung anzuschließen beabsichtigen, mir dies möglichst bald mitzuteilen, und ich werde in den nächsten Nummern dieser Zeitschrift Weiteres über die Angelegenheit berichten.

   Berlin W. 30, Eisenacherstraße 34
Benedict Lachmann

Aus Heft 12:

Der individualistische Anarchist
beschließt mit diesem Heft sein zweites Quartal. Er erscheint vom 1. Oktober ab nicht mehr vierzehntägig, sondern in unregelmäßiger Folge in solidarischer Herausgabe mehrerer Mitglieder der "Vereinigung individualistischer Anarchisten". Dementsprechend wird kein festes Abonnement mehr ausgegeben, sondern die Einzelhefte werden bei Erscheinen je nach Umfang zu einem Preise abgegeben, der dem bisherigen Preise - 75 Pfg. pro Heft von 2 Bogen - etwa entspricht.

   Ich nehme an, daß die bisherigen Abonnenten, welche direkt vom Verlage bezogen haben, die Weiterlieferung wünschen, und werde daher ohne gegenteiligen Bescheid die jeweils erscheinenden Hefte zusenden. Die Abonnenten, welche durch den Buchhandel bezogen haben, bitte ich, ihre Lieferstelle anzuweisen, die erscheinenden Hefte für sie anzunehmen; ich liefere also auch dem Buchhandel jedes erscheinende Heft in der Anzahl der bisher bezogenen Exemplare.

   Interessenten, welche die Zeitschrift bisher unregelmäßig bezogen haben, aber die Zusendung der weiter erscheinenden Hefte wünschen, bitte ich um Angabe ihrer Adressen.

   Um allen Mißverständnissen und Mißdeutungen vorzubeugen, bemerke ich jedoch, daß alle Empfänger der nach dem 1. Oktober erscheinenden Hefte dieser Zeitschrift, welche die Zusendung nicht mehr wünschen sollten, aber verabsäumt haben, sie abzubestellen, das Recht haben sollen, die Hefte ohne weiteres an meine Adresse zurückzusenden.

   Der Wunsch, der Bewegung des individualistischen Anarchismus eine breite Grundlage zu geben, hat zu der Begründung der
Vereinigung individualistischer Anarchisten
geführt. Sie soll ein Sammelpunkt für diejenigen werden, welche sich zu der Weltanschauung des individualistischen Anarchismus bekennen und meist zerstreut ohne Fühlung miteinander wohnen.

   Diese Vereinigung ist auf der Grundlage der größten Freiheit begründet. Sie enthält für den, der ihr beizutreten wünscht, weder einen Zwang, ihr länger anzugehören, als er will, noch die Verpflichtung zu irgend einer Tätigkeit oder Leistung außer derjenigen, zu der der Einzelne in jedem einzelnen Falle sich bereit erklärt.

   Die Vereinigung individualistischer Anarchisten, welche sich sehr erfreulich entwickelt und ständig an Mitgliedern gewinnt, wird ihre Diskussionsabende zur Propaganda für die Prinzipien des individualistischen Anarchismus regelmäßig fortsetzen.

   Ich bitte diejenigen, welche an den Diskussionsabenden teilnehmen wollen, um Mitteilung ihrer Adresse zur Benachrichtigung.
Benedict Lachmann