Nun habe ich einen Beitrag in der Zeitschrift "Die Kunstauktion" vom 21. September 1930 gefunden, in der Friedrich Dobe recht unrühmlich erwähnt wurde.
Hier der entsprechende Auszug:
"... Ein ähnlicher Idealist scheint der Berliner Studienrat Dr. Fr. Dobe gewesen zu sein. Er arbeitete an einem Werke über Wiegendrucke und hatte sich von der Leitung der Staatsbibliothek sowie von dem Bibliothekar des Gymnasiums zum grauen Kloster die Erlaubnis erwirkt, die Bücherbestände dieser beiden Anstalten jederzeit ohne Kontrolle benutzen zu dürfen. Eines Tages meldete Dr. Dobe, er hätte ein ihm geliehenes Buch in der Straßenbahn liegen gelassen. Bald darauf verschwand ein anderes wertvolles Werk, und als man, dadurch stutzig geworden, eine Nachprüfung der Bestände vornahm, wurde festgestellt, daß in der Bibliothek des Gymnasiums zum grauen Kloster 23 und in der Staatsbibliothek 25 Bände fehlten.
Der Verdacht fiel auf Dr. Dobe. Es wurde eine Haussuchung bei ihm vorgenommen, bei der man eine große Anzahl der fehlenden Werke vorfand. Zwar waren einige mit anderen Einbänden versehen, in denen die Bibliotheksstempel fehlten, aber ihre Identität war nicht zweifelhaft.
Dr. Dobe leugnete den Diebstahl und behauptete, die beschlagnahmten Werke an einem Bücherwagen in der Weinmeisterstraße gekauft zu haben. Vermutlich seien die Bücher während der Revolution, als die Staatsbibliothek wiederholt besetzt war, entwendet worden. Allein die Gutachten der Sachverständigen waren für Dr. Dobe belastend. Sie erklärten, daß, selbst wenn er die Bücher an einem Karren gekauft hätte, ihm als Kenner und erfahrenen Sammler sofort der Wert und die Herkunft der Werke hätten klar sein müssen. Auch wiesen deutliche Spuren darauf hin, daß die Stempel der Bibliothek beseitigt worden seien.
Der Staatsanwalt hielt dem Angeklagten zugute, daß er sicher nicht aus Eigennutz gehandelt habe. Dr. Dobe habe die Bücher offenbar für seine wissenschaftliche Arbeit zur Hand haben wollen und sie sich daher angeeignet. Das Urteil lautete auf 9 Monate Gefängnis..."
(Quelle mit gesamten Beitrag: Bücherdiebe von Klasse)
Ein Werk über den Wiegendruck von Friedrich Dobe konnte ich bisher nicht nachweisen. Was aber auch verständlich sein dürfte, denn dieser Kriminalfall dürfte der Reputation Friedrich Dobes nicht gerade förderlich gewesen sein. Vielleicht hat er sich gänzlich vom Thema "Bücher" abgewendet?
Ich werde weiter forschen und versuchen, den Fall zeitlich genauer einzugrenzen. Vielleicht gelingt es mir, die Gerichtsakten ausfindig zu machen. Spannend wäre für meine Forschung, ob sich die Bibliotheksbücher, die mal in seinem Besitz waren und wohl von ihm selbst umgebunden wurden, noch immer in den Dobe'schen Einbänden befinden. Auch würde es mich sehr interessieren, ob es sich bei diesen Büchern um Forschungsliteratur oder wirklich um Inkunabeln handelt.
Zu seiner Ehrenrettung möchte ich einen Beitrag anführen, der die Verhältnisse in der Staatsbibliothek währen der Revolutionszeiten 1919 darstellt. Vielleicht stimmte seine Aussage, dass er die Bände an einem Bücherwagen gekauft hatte. Vielleicht ist die einzige Verfehlung, dass er sich der Bände besseren Wissens ihrer Herkunft angenommen hat.
"... Es mag zum Teil der falschen Auffassung des bisherigen Namens, zum Teil aber auch ihrer Lage an hervorragender Stelle der Stadt zuzuschreiben sein, wenn die Bibliothek in den Revolutionstagen vom 9.-12. November in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Unsinnige und gänzlich unbegründete Gerüchte, daß Maschinengewehre auf dem Gebäude aufgestellt seien, daß aus ihm geschossen worden sei, daß ein unterirdischer Gang es mit dem Königlichen Schloß verbinde (!) usw. haben dazu geführt, daß zu wiederholten Malen mit Maschinengewehren blindlings auf und in das Gebäude geschossen worden ist, mit erheblicher Beschädigung des Fassadenschmucks, der Fenster und der Decken der Innenräume, daß Türen mit Handgranaten gesprengt worden sind und Zertrümmerungen in den zunächst zugänglichen Innenräumen stattgefunden haben. Wenig hätte gefehlt, so wäre man mit Minen und Flammenwerfern gegen die angeblich vorhandene Besatzung vorgegangen! Daß größeres Unheil verhütet worden ist, ist zu einem guten Teil der Umsicht und Ruhe des Kastellans Hennig zu verdanken, da obere Beamte zunächst nicht bis zur Bibliothek vordringen konnten und erst weiterhin ein Tages- und Nachtdienst eingerichtet werden konnte. Glücklicherweise ist der Schaden an Sammlungsgegenständen nicht sehr bedeutend: in der Königlichen Bibliothek ist ein Dutzend Bücher erst dadurch beschädigt worden, daß eine angebliche Sicherheitswache am Oberlicht eines Büchermagazins Handgranaten zur Entzündung gebracht hat. In der Universitätsbibliothek ist eine größere Anzahl Bücher durch Schüsse von außen durchbohrt worden. Beide Bibliothek mußten in der Woche vom 11.-16. November geschlossen bleiben. - Die neuerdings von Zeitungen mehrfach gebrachte Nachricht, daß die "Bibliothek" von Truppenteilen besetzt sei, bezieht sich auf das alte Bibliotheksgebäude am Opernplatz."
Aus: Zentralblatt für Bibliothekswesen. Jg. 35 (1918), S. 275f
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Ein weiterer Fund im Internet:
Diebstähle in der Berliner Staatsbibliothek
Ein Diebstahl, durch den die Berliner Staatsbibliothek um eine Reihe der wertvollsten Bücher beraubt worden ist, ist jetzt aufgeklärt worden. Die Bibliothekare der Inkunabel-Abteilung bemerkten den Abgang seltener und kostbarer Stücke. Darunter befand sich auch ein sehr früher und seltener Gutenberg-Druck, ein "Matthäus de Krakovia", ferner ein ebenso seltenes Andachtsbuch in deutscher Sprache "Zeitglöcklein", das einer der ersten derartigen Drucke war und in Basel 1492 herausgekommen ist. Außerdem der Augsburger Druck der Griseldis und von den beiden vorhandenen Exemplaren des berühmten Baseler Druckes des "Morallehrbuches des Ritter vom Turn", 1493 erschienen, das bessere Stück, das mit Holzschnitten versehen ist, die dem jungen Dürer zugeschrieben werden. Die Ermittelungen ergaben Verdacht gegen den Studienrat Dr. Dobe, der dem Sophien-Gymnasium angehört. Tatsächlich wurde ein erheblicher Teil der gestohlenen Bücher, darunter fast die ganzen Frühdrucke, die aus der Inkunabel-Abteilung verschwunden waren, in den Schränken des Studienrates gefunden. Der Studienrat erklärte. daß er diese Stücke aus dritter Hand erworben habe. Das ist aber kaum anzunehmen, da der Wert der gestohlenen Stücke heute sicher eine Million Mark beträgt. Außerdem hätte es dem fachkundigen Sammler auffallen müssen, daß die Raritäten, die dem Staatsbesitz entstammen, in derart reichhaltiger Zusammenstellung aus fremder Hand ihm angeboten wurden. Dr. Dobe, der schon früher aus der Staatsbibliothek Duplikate erworben hat, hat auch seinerseits Stücke verkauft. Darunter haben sich auch wertvolle Frühdrucke befunden, die aber kaum aus dem Besitz der Staatsbibliothek stammen, über deren Herkunft aber nachgeforscht wird.
Quelle: Internationale Sammlerzeitung. Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Wien. 14 Jahrgang, Nr. 8, 15. April 1922, Seite 64
Stand: Dez. 2021