Freitag, 17. November 2023

Schon im Jahre 1905 veröffentlichte Friedrich Dobe unter dem Pseudonym Fred Ebod ein Gedicht in der Zeitschrift Der Eigene. Diese Zeitschrift, die von Adolf Brand herausgegeben wurde, war die erste Homosexuellen-Zeitschrift der Welt. Der Name der Zeitschrift geht auf das Werk von Max Stirner "Der Einzige und sein Eigentum" zurück. Beiträge für diese Zeitschrift lieferten u.a. Benedict Friedländer, Klaus und Thomas Mann und Erich Mühsam. Sie entwickelte sich erst bis zum Ende des zweiten Erscheinungsjahres (1897) erkennbar zur Homosexuellen-Zeitschrift. Natürlich war die Zeitschrift politischer Verfolgung ausgesetzt. Friedrich Dobes Pseudonym lässt sich recht leicht auflösen. Sein Nachname wurde einfach umgekehrt. Interessanterweise ist dieses Gedicht nicht in seiner 1929 erschienenen Gedichtsammlung enthalten. Hier nun das Gedicht:

Resignation
 
Ich schreite fort im Walde meiner Tage.
Rasch unaufhaltsam, wie es meine Sitte,
Führt mich mein Weg durch sommerliche Gluten,
Durch Herbstesstürme, morsches Laub und Sterben -
Ich lasse mich nicht halten, walle weiter.
So hat auch jetzt mein Weg durch Winterstürme
Sich aufzuheitern langsam angefangen,
Des holden Frühlings Boten nah´n sich wieder,
Und wohlgemut wall´ ich dahin.

Da plötzlich geht ein Rauschen durch die Zweige,
Ein eigen-sanftes sehnsuchtsvolles Rauschen,
Als wollt es ferner Zeiten mich erinnern.
"Was rauschet ihr mir, Bäume, zu, was klinget
So seltsam klagend euer Rauschen mir ins Ohr?"
Ihr raunt mir zu: "Denkst Du noch jener Zeit,
Wo einst im holden Glanz das Glück Dir lächelte,
Wo nicht allein Du warst, wo Du zu zwei´n
Der Tage Wald durchwandeltest?"

Ich denke Dein! Doch denk´ ich nicht mit Schmerzen,
Ich denke dankbar und in Liebe Deiner;
Denn süss ist die Erinnerung schöner Tage,
Sie ist das Einzige, was uns treu verbleibt,
Wann Alles scheidet - wohl, so tönet weiter,
Ihr Bäume, lasst mich euer Rauschen hören,
Macht glücklich mich durch die Erinnerung!
Doch lasst auch weiter hallen euer Rauschen,
Bis es zu seinem Ohre dringt.

Und mög´ es ihm, vom Glück umfangen, tönen,
Mög´ angenehm und heiter es ihm klingen,
Wenn es ihm rauscht den heissen tiefen Dank
Für all das Glück, dass er mich liess geniessen,
Und möge dann der still-erhab´ne Einklang
Des hohen Rauschens liebend ihm verkünden,
Dass sich der Seelen Einklang auch bei mir,
Dem Ruhelosen, wieder eingefunden,
Dass ruhelos ich glücklich bin.