Montag, 27. April 2009

Brief vom 05.02.1936


Prof. Dr. Hans Reck, Berlin N4, den 5. Februar 1936, Invalidenstrasse 43, Tel. D 1 (Norden) 4415

Lieber Dr. Dobe!

Ich habe nun die Fahnen durchgelesen und gebe Ihnen wunschgemäß schriftlich meine Ansicht zu dem Ganzen. In der augenblicklichen Form und Zusammenstellung halte ich das Ganze vorläufig für ein noch unbrauchbares, recht zusammenhangloses Durcheinander, das seinen Zweck als Führer nicht erfüllen kann, und buchhändlerisch ein Mißerfolg werden muß. Ich glaube aber, daß sich mit relativ wenig Mühe und Kosten noch etwas recht Brauchbares daraus machen läßt. Ich habe deshalb als Vorschlag auf Extrablatt ein Inhaltsverzeichnis zusammengestellt, wie ich es mir als einleitendes Blatt im Buch denke. Das orientiert doch den Leser gleich was und wo er das Gesuchte finden kann. Bei solcher Anordnung wäre m.E. auch Ordnung und Zusammenhang in den Stoff gebracht.
Ich möchte nun zu den Einzelabschnitten [hs.: nach] diesem Inhaltsverzeichniss meiner Meinung äußern:
Vorwort des Herausgebers: Ist sachlich zwar überflüßig, wird aber wohl aus Eitelkeitsgründen für unseren guten Don gebraucht werden sollen. Dann bitte als Extraseite vor den eigentlichen Texten und unter Auslassung der schwülstigsten Phrasen, die ich schon in der Korrektur gestrichen habe. Solch gedankenleeres Wortgeplätscher würde von vorn herein das literarische Niveau des Büchleins sehr tief einstufen, was [hs.: auch] seinem Absatz schaden müßte.
Übersicht über die Geschichte Santorins: Dieser erfreuliche Abschnitt liest sich im ganzen recht gut und stellt wohl die Hauptarbeit von Zacharias dar. Ob er inhaltlich richtig ist, kann ich allerdings nicht beurteilen. Wenn das der Fall ist, paßt er durchaus in den Rahmen der anderen Arbeiten.
Praktischer Wegweiser für die Insel Thera: Jetzt kommt der Abschnitt, der vorläufig noch ganz unbrauchbar ist. Er ist weder sprachlich schön geschrieben, noch sachlich interessant, noch praktisch als Führer brauchbar, sondern eine ziehmlich stumpfsinnige Aufzählung von Orten u.s.w. Der Abschnitt hängt in der Korrektur noch am geschichtlichen Teil, hat damit aber garnichts zu tun und gehört natürlich als Abschnitt mit eigener Ueberschrift abgetrennt. Nun erwähnten Sie neulich, daß Sie im wesentlichen aus Bädeckers Angaben noch einen anderen Führerabschnitt zusammenstellen wollten. Das würde ich nicht für wünschenswert halten. Meiner Ansicht nach gehören diese Angaben in sprachlich etwas eleganter Redigierung in diesen Abschnitt bei den einzelnen Orten eingefügt. Das möchte ich sogar für den einzigen Weg halten beide Abschnitte interessant zu machen, indem man sie nämlich vereinigt und den Stoff nicht auseinanderreißt, und damit wäre dann auch einer der Hauptzwecke des Büchleins, nämlich der praktische Führer durch die Insel in angemessener Form erfüllt. Wenn Sie diese Arbeit nicht für den Don machen wollen, - wie ich das ja auch so oft für meine griechischen Mitarbeiter tun mußte - sondern Ihren eigenen Namen dabei verewigt sehen wollen, so würde ich vorgeschlagen, daß Sie diesen Abschnitt mit Zacharias zusammen zeichnen.
Ein Besuch der alten Stadt Thera: Dieser Aufsatz ist m.E. durchaus gut und brauchbar. Man merkt ihm sofort an, daß er sehr inhaltreich und sachkundig ist. Etwas störend sind die vielen griechischen Bezeichnungen, die der Laie meist nicht versteht, ich auch nicht. Die Sprache ist manchmal recht unschön und salop. Aber das läßt sich leicht ausmerzen. Ebenso habe ich angedeutet, wo man m.E. manchmal das ewige "wir sehen", "wir gehen", "wir stehen", oder gar "wir sehen uns an" durch eine unpersönliche Ausdrucksweise ersetzen sollte.
Das Schlußwort: Das ist für ein deutsches Buch eine bare Unmöglichkeit. Ein süßliches Gerede ohne jeden Gedanken, einfach zum kotzen. Das muß unbedingt von A bis Z gestrichen werden. [hs.: Ist auch ganz überflüssig!] Zu meinem Abschnitt: habe ich nichts weiter zu sagen, aber ich möchte hier die Kartenfrage für das Buch erörtern. Wenn es richtig ist, daß Hartmann daran denkt, das Buch ohne Karten herauszugeben, so raten Sie ihm am besten, daß er seinen Autoren ein ausbezahlt und dann die MS. in den Papierkorb steckt. Ein Landesführer ohne Karten ist ein Unding. Das kommt mir vor wie ein Automobil ohne Steuerung. Das kauft auch nur einer, wenn er nicht merkt, daß die Steuerung fehlt. Und wenn er es merkt, fühlt er sich beschissen. Das wäre genau so mit dem Buch. Hartmann würde nicht nur dem Ruf seiner Autoren, sondern auch dem Ruf seiner eigenen Firma schaden, wenn er so etwas herausgäbe und ein buchhändlerischer Mißerfolg wäre unvermeidbar. Wenn Hartmann nicht das Geld hineinstecken will um ein brauchbares Buch herauszubringen, dann hätte er von vorn herein die Finger davon lassen müssen. Wer aber A sagt, muß auch B sagen, ganz abgesehen davon, daß er mir zu meinem Beitrag, als derselbe vereinbart wurde, die Beigabe der nötigen Karten zugesagt hat.
Darauf muß ich auch bestehen. Denn ohne die Karten hätte ich meinen Artikel nie geschrieben, weil er dann ein Torso bleiben mußte und praktisch für den Besucher Theras unbrauchbar sein mußte. Genau das Gleiche gilt für den Beitrag Hiller, besonders da er doch an der Hand von drei Rundgängen die alte Stadt erklärt. Diese Beschreibung ist doch praktisch vollkommen unbrauchbar für den Besucher, wenn er nicht einen Plan vor sich hat, auf dem die drei Gänge eingezeichnet sind. Ein Stadtplan des alten Theras ist also ebenso unerläßlich für seine Arbeit wie die Landkarten der Insel nicht nur für meinen sondern auch für die praktischer Führungsabschnitte des Buches.

So, das wäre wohl alles. Viele Grüße Ihr [hs.: Reck]

[Der Brief umfasst vier maschinenschriftliche Seiten]

[Quelle: Geologische Vereinigung, Archiv Nr. 8607]