Donnerstag, 28. August 2025

Leibniz-Gymnasium zu Berlin
XXXIX. Bericht über das Schuljahr 1914/15
erstattet von dem Direktor Prof. M. Koch
Berlin. Druck von Otto Walter, 1915

III. Zur Geschichte der Anstalt

Das Schuljahr 1913/14 wurde am Dienstag, den 31. März, mit der üblichen Feier in der Aula geschlossen. Die sieben Seminarkandidaten, die zur Ablegung des pädagogischen Probejahrs sämtlich an andere Anstalten überwiesen worden sind, werden vom Direktor mit den besten Wünschen für ihre zukünftige amtliche Tätigkeit entlassen. Alle Kandidaten haben sich durch Übernahme von Vertretungen um das Kollegium verdient gemacht. Leider sind inzwischen zwei derselben, die Herren Dr. Reißmann und Dr. Warlies, den Heldentod gestorben. Requiescant in pace!

Gleichzeitig verließ uns der wissenschaftliche Hilfslehrer Herr Dr. Hermann Guskar, um eine ausgedehntere Tätigkeit am Realgymnasium zu Oberschöneweide zu übernehmen. Er hatte bereits der Anstalt als Probandus angehört und war im Herbst 1913 als wissenschaftlicher Hilfslehrer überwiesen worden. Inzwischen hat auch er seinen dem Vaterland geleisteten Eid durch den Heldentod besiegelt. Wir werden sein Andenken in Ehren halten.

Zu demselben Termin wurde Herr Alexander Luebeck von uns abberufen und der Oberrealschule in Zehlendorf überwiesen. Er ist seit Herbst 1911 als Probandus und seit Herbst 1912 als wissenschaftlicher Hilfslehrer bei uns tätig gewesen. Wir haben den liebenswürdigen Kollegen, den gewissenhaften Lehrer ungern scheiden sehen und begleiten ihn mit unsern besten Wünschen in seine neue Tätigkeit.

Der wissenschaftliche Hilfslehrer Herr Wolfgang Lindner nahm aus Gesundheitsrücksichten bis zu den Sommerferien Urlaub. Nach diesen kehrte er für kurze Zeit zu uns zurück, um alsdann seine Tätigkeit am Mommsen-Gymnasium der Stadt Charlottenburg fortzusetzen. Er hat der Anstalt seit Herbst 1912 angehört und sich durch sein Wirken unseren Dank verdient.

Mit dem Beginn des Schuljahres konnte auch die durch das Hinscheiden des uns unvergeßlichen Prof. Wilhelm Schmidt erledigte Oberlehrerstelle wieder besetzt werden. In dieselbe wurde der bisherige Oberlehrer Herr Prof Lic. Dr. Franz Schulze von der Jahn-Realschule in Berlin berufen, der sich über seinen Bildungsgang folgendermaßen äußerte:

Franz Schulze, evangelischen Bekenntnisses, ist im August 1866 zu Gross-Ammensleben (Kreis Wolmirstedt) geboren. Seine Vorbildung empfing er in seinem Heimatorte, auf dem Progymnasium zu Neuhaldensleben und dem Pädagogium zum Kloster unser lieben Frauen zu Magdeburg. Nach der Reifeprüfung wurden von ihm zwecks des Studiums der Theologie und Philosophie die Universitäten Marburg, Berlin, Jena, Halle besucht. Bei der am 18. Oktober 1891 zu Weimar vollzogenen Ordination ward ihm die Pfarrstelle Bechstedtstraß (später auch die von Gutendorf und Meckfeld), ferner die Funktion des Schulaufsehers übertragen. 1896 promovierte er zum Doktor der Philosophie auf Grund der Dissertation "Das Übel in der Welt nach der Lehre des Arnobius", im gleichen Jahre zum Lizentiaten der Theologie laut der Arbeit "Die Theodizee der vornizänischen Lateiner" und erlangte 1897 das Oberlehrerzeugnis. Er hat, einem behördlichen Ersuchen folgend, an der Herstellung der neuen Auflage des Gesangbuches mitgewirkt. Ostern 1906 erfolgte seine Berufung an die damalige 7. städtische höhere Mädchenschule in Berlin, Ostern 1908 an die IV. Realschule und Ostern 1914 an das Leibniz-Gymnasium hierselbst.

Als Hilfslehrer in der Vorschule trat zu Beginn des Schuljahres der Gemeindelehrer Herr Richard Dubrow ein.

Der Unterricht verlief bis zu den Sommerferien ohne erhebliche Störung. Wie in allen früheren Jahren, so wurde auch diesmal den einzelnen Klassen Gelegenheit gegeben, unter Führung ihrer Klassenleiter oder deren Vertreter Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung Berlins zu machen. Im Winter fanden Eis- und Rodelpartien statt; die Jungdeutschland-Gruppe, wie schon erwähnt, veranstaltete mehrfach Ausflüge und Übungsmärsche.

Herr Professor Pfeiffer unternahm auch in diesem Jahre die übliche Pfingstpartie, deren Ziel das Riesengebirge war. Der Marsch begann in Flinsberg morgens nach einer Nachtfahrt und ging über den Hochstein nach Schreiberhau, wo die Josefinenhütte besichtigt wurde. Dann wanderte man frohgemut über den Zackenfall und die Neue schlesische Baude nach dem Elbfall. Der zweite Tag führte die Schülerschar durch den Elbgrund hindurch und durch den Weißwassergrund wieder hinauf auf den Kamm und zur Riesenbaude (Abstecher nach dem Riesengrund). Am dritten Tage ging es auf die Schneekoppe, von da durch den Eulengrund nach Krummhübel und zur Schlingelbaude. Der vierte Tag endlich war dem Besuche der Teichränder (Prinz Heinrichbaude) und der Schneegruben gewidmet. Der Abstieg erfolgte über Agnetendorf und über den Kynast nach Hermsdorf, von wo die Rückfahrt mit der Eisenbahn angetreten wurde. Die ganze Wanderung verlief ohne jede Ermüdung und in heiterster Stimmung. In der Frühe des 2. Pfingsttages trennte sich die Reisegesellschaft auf dem hiesigen Görlitzer Bahnhof.

Endlich wurden zahlreiche Besichtigungen von Museen, des Zoologischen Gartens, des Aquariums und der Treptower Sternwarte veranstaltet. Von einer Aufzählung derselben wird des beschränkten Raumes wegen abgesehen.

Am 18. April fand eine Düppelfeier ststt, bei der Herr Professor Fraatz die Ansprache hielt.

Am 27. April beehrte der Königl. Provinzialschulrat Herr Dr. Prinzhorn die Anstalt mit seinem Besuche und hospitierte in mehreren Lehrstunden; am 12. Mai fand eine hygienische Besichtigung der Anstalt durch den Königlichen Medizinalrat Herrn Dr. Lindemann statt.

Am Sedanfeste hielt Herr Prof. Fraatz die Festrede über die Ursachen des Weltkrieges, bei der Feier des Märkischen Reformationsfestes sprach der Oberprimaner Herbert Heuer über "Luther und den Krieg"; ihm wurde auch die vom Magistrat übersandte Denkmünze verliehen.

Die Weihnachtsfeier fand wie gewöhnlich unter den Lichtern des Christbaumes statt; sie bestand aus Gesängen, Schülervorträgen und einer Ansprache des Herrn Prof. Schulze.

Auch am Geburtstage S. M. des Kaisers hielt Herr Prof. Schulze die Festrede und gab eine vergleichende Charakteristik der drei ersten Kaiser; mit einem "Heil dem Herrscher und seinem tapferen Heere" schloß die Feier.

Bei den in der Schule veranstalteten Siegerfeiern hielten die Ansprache der Direktor, sowie je einmal die Herren Prof. Panofsky, Fraatz und Schulze. Auch diese Feiern schlossen mit einem kräftigen Hoch auf den Kaiser und die im Felde stehenden Truppen.

Der Gesundheitszustand des Lehrerkollegiums war im Berichtsjahre ein wenig günstiger; es mußten die Herren Gebauer, Gericke, Gudopp, Hempel, Panofsky, Prüsmann, Rommel, Trantow und Wiedermann für längere oder kürzere Zeit vertreten werden. Die Vertretung übernahm bereitwilligst das Lehrerkollegium, unterstützt durch die Seminarkandidaten. Besonders hat sich unser ehemaliger Schüler, Seminarkandidat Arthur Dubbert, um die Anstalt durch Übernahme zahlreicher Vertretungen verdient gemacht, doch mußte außerdem noch der Oberlehrer a. D. Dr. Adam herangezogen werden, dem wir auch an dieser Stelle für die der Schule gewidmeten Dienste bestens danken. Noch heute fehlt Herr Musikdirektor Wiedermann, der in der Chorklasse durch den Vorschullehrer Herrn Schinck vertreten wird.

Der Gesundheitszustand der Schüler war zufriedenstellend, doch mußte die 3. Vorschulklasse wegen einer Masernepidemie im Juni für eine Woche geschlossen werden.

Leider haben wir den Tod zweier lieben Schüler zu beklagen: am 6. Mai 1914 starb der Quartaner Gerhard Schulze, am 19. Januar 1915 der Obersekundaner Franz Krüger, beide an einem inneren Leiden. Wir haben an dem Schmerze der Eltern aufrichtigen Anteil genommen und den so früh Entschlafenen das letzte Geleit gegeben.

Dem mit dem Leibniz-Gymnasium verbundenen Königlichen Pädagogischen Seminar gehörten im Berichtsjahre sieben Kandidaten an, nämlich die Herren Richard Anton, Erwin Becker, Otto Butzke, Dr. Friedrich Dobe, Arthur Dubbert, Dr. Theodor Otto, Dr. Johannes Protze. Die Kandidaten Anton, Becker und Otto verließen uns bereits mit Ausbruch des Krieges, um in das Heer einzutreten.

Das Seminar wurde am 19. Februar von Herrn Provinzialschulrat Dr. Prinzhorn besichtigt.

Das Leibniz-Gymnasium und der Krieg.

Sobald die Mobilmachungsorder ergangen war, strömte die Jugend unserer Oberklassen und zum Teil auch der Mittelklassen zu den Waffen, von der gleichen Begeisterung erfüllt, wie unsere Väter vor 100 Jahren. Zahlreiche Schüler, die in der unten folgenden Tabelle verzeichnet sind, folgten freudig dem Rufe des obersten Kriegsherrn, so daß die letzte "Ferienwoche" ein ganz eigenartiges Gepräge bekam. Fast täglich mußten "Notprüfungen" veranstaltet werden, täglich nahmen wir bewegten Herzens von lieben, hoffnungsvollen Jünglingen Abschied, die in die Ferne zogen, um mit ihrem Leib und Leben dem Vaterlande zu dienen.

Von den Lehrern wurde alsbald der Oberlehrer Ernst Rieger einberufen, ferner die oben erwähnten drei Seminarkandidaten. Am 24. Dezember rückte auch der Gemeindelehrer Richard Döhnert aus, der seit längerer Zeit an der Vorschule beschäftigt ist. Wir freuen uns, daß wir von allen eingezogenen Kollegen bis jetzt gute Nachrichten haben.

Und nun die in der Heimat zurückgebliebenen Schüler. Auch bei diesen entwickelte sich ein wahrer Wetteifer, sich nach ihren Kräften dem Vaterlande nützlich zu erweisen. So beteiligten sie sich eifrig an der Metallsammlung zur Linderung der Kriegsnot, die Herr Wüster veranstaltete. Es wurden etwa 1.000 Pfund Metall (Kupfer, Zinn, Messing, Zink und Blei) zusammengebracht, ferner eine größere Anzahl von Kupfer- und Silbermünzen. Der Schmelzwert der Sammlung beträgt 450 M. Unter die fleißigen Sammler konnten 45 eiserne Ringe zur Belohnung verteilt werden. Auch fand eine Schuh- und Stiefelsammlung statt, die ebenfalls reichliche Spenden brachte.

Die Schüler der Ober- und Mittelstufe beteiligten sich ferner mit jugendlicher Begeisterung bei den Hilfsarbeiten für die Reichswollwoche, sowie bei der Verteilung der Brotkarten.

Die Schüler sämtlicher Klassen, von der O I bis zur letzten Vorschulklasse, brachten zahlreiche Goldstücke zur Stärkung des Goldvorrats in der Reichsbank; im ganzen sind bis zum Schluß des Berichts 40.000 M abgeliefert worden. Die Sorge für diese Sammlung übernahm Herr Oberlehrer Dr. Borghorst.

Endlich sandten die einzelnen Klassen unter Anleitung ihrer Klassenleiter zahlreiche Liebesgaben an die im Felde stehenden Truppen ab, für die manch herzliches Dankschreiben einging.

Lehrer und Schüler endlich vereinigten sich unter Anleitung des Herrn Prof. Gudopp zur gemeinsamen Absendung von Weihnachtspaketen für unsere im Felde stehenden ehemaligen Schüler. Auch hier haben wir viel Freude bereitet und reichen Dank geerntet.

Der Unterzeichnete möchte an dieser Stelle nicht verfehlen, allen Kollegen wie Schülern, die sich in den Dienst der guten Sache gestellt haben, seinen wärmsten Dank auszusprechen, auch den geehrten Eltern, die bereitwillig ihre Erlaubnis zu diesen Sammlungen gegeben haben.