Sophien Gymnasium Berlin
Jahresbericht 1923/24
In der Tabelle "Unterrichtsverteilung - Sommer 1923" wird Dr. Dobe als "beurlaubt" aufgeführt.
In der Tabelle "Winter 1923/24" "beurlaubt, seit Januar 1924 suspendiert"
6. Aus der Schulchronik
Das Schuljahr 1924/24 brachte in der Frage der Unterbringung des seit Ostern 1918 in stufenweiser Verlegung begriffenen Sophien-Gymnasiums den Höhepunkt der Unordnung und Verworrenheit: Hatten wir doch während des Sommers drei verschiedene räumlich von einander getrennte Schullokalitäten! 6 Klassen waren weiter wie bisher in den Gemeindeschulen 230 und 246 in der Wehlauerstr. untergebracht, 6 Klassen befanden sich in dem Neubau der 306. und 307. Gemeindeschule in der Mandelstrasse, 6 Klassen benutzen noch die alten Räume in der Weinmeisterstrasse. Im Winterhalbjahr konnten dann bis Anfang November nach und nach die Klassen aus der Wehlauerstrasse nach der Mandelstrasse überführt werden, so dass wir während des Winters wenigstens nur an zwei getrennten Stellen zu arbeiten brauchten, da nunmehr die Klassen UII-VI alle zusammen in der Mandelstrasse, die Obersekunden und Primen in der Weinmeisterstrasse lagen. Weil es in der Wehlauerstr. sowie in dem längst noch nicht fertiggestellten Neubau in der Mandelstrasse an Einrichtungen und Räumlichkeiten für den Physik- und Turnunterricht fehlte, mussten die Untersekunden und die Obertertien wieder wöchentlich einmal zu diesen Unterrichtsfächern nach der Weinmeisterstrasse bestellt werden. Unter so jammervollen Verhältnissen machten natürlich Verwaltung und Leitung, zumal die städtische Schulbehörde nicht einmal Fernsprechverbindung herstellte, die grössten Schwierigkeiten, ebenso wie die Durchführung des Unterrichts unter beträchtlichen Erschwerungen litt. Lehrer und Schüler verdienen alle Anerkennung dafür, dass sie Pflichtgefühl und Arbeitslust in voller Stärke bewahrt haben: wenn unsere Schüler sich nicht wirklich innerlich mit ihrer Schule verbunden fühlten, so wären sie im letzten Jahre sicherlich scharenweise an andere Schulen abgewandert.
Mit Beginn des Schuljahres schieden aus die Studienräte Ilzig, Dr. Fitte und Dr. Wessely. Studienrat Ilzig trat nach Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand, St.R. Fitte tauschte mit dem St.R. Friedrich Strick vom Humboldtgymnasium, St.R. Wessely musste nach mehrjähriger Beurlaubung wegen seines schweren körperlichen Leidens vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. Allen drei Lehrern ist unsere Schule für langjährige treue und erfolgreiche Dienste zu dauerndem Dank verpflichtet. Der Studienrat Dr. Dobe war während des ganzen Schuljahres wegen des gegen ihn anhängigen Strafverfahrens von der Amtstätigkeit ausgeschlossen, anfänglich nur in Form der Beurlaubung, seit Januar 1924 durch Suspendierung vom Amte. Vertreten wurde er wie im Vorjahre durch den Studienassessor Rücker.
Von früheren Lehrern der Anstalt wurde seinen alten Freunden und Amtsgenossen durch unerwarteten Tod entrissen der Ostern 1921 in den Ruhestand versetzte Studienrat Dr. Paul Hirt. Er starb am 29.1.24, wurde unter Beteiligung von Lehrern und Schülern eingeäschert am 1.2. und am 7.2. in unserer alten Aula durch eine Erinnerungsfeier geehrt, bei der unser Amtsgenosse St.R. Dr. Samter seinem langjährigen Freunde die Gedächtnisrede hielt.
Der Gesundheitszustand der Lehrer und Schüler war trotz der nicht durchweg einwandfreien Schulräumlichkeiten erfreulich gut; nur der Gesanglehrer Forck musste zur Erholung während des ersten Vierteljahrs beurlaubt werden, und der Turnwart Proske bedurfte gegen Ende des Schuljahres eines mehrwöchigen Urlaubs.
Das Schuljahr begann am 10. Aprol 1923 und schloss am 11. April 1924.
Die Reifeprüfungen fanden, beide unter dem Vorsitz des Direktors, am 19.9.23 und am 18.3.1924 statt, die Entlassungsfeiern am 29.9.1923 und am 31.3.1924.
Durch Sammlungen gute Zwecke fördern zu helfen war zweimal Gelegenheit: die Lehrer konnten Anfang Oktober einen im Kollegium gesammelten Betrag für die Berliner Kohlenhilfe an die zuständige Stelle abführen, die Schüler veranstalteten im Mai anlässlich der Grossberliner Jugendherbergs-Werbewoche eine interne Geldsammlung.
Am 11. August 1923 fand unter Ausfall des Unterrichts in der Aula in der Weinmeisterstrasse die Verfassungsfeier statt; ein Klaviervortrag, Gedichte, eine Ansprache des Studienrats Dr. Kalischer, ein vom Direktor ausgebrachtes Hoch auf Deutschland und der gemeinsame Gesang der 1. und 3. Strophe des Deutschlandliedes bildeten den Inhalt der Feier.
Das Reformationsfest begingen wir in der üblichen Form, aber nicht mehr am bisher üblichen Tage am 31. Oktober: die Festrede, über Calvin, hielt der Oberprimaner Hensel, dem darauf Herr Studienrat Tatge ein Buch als Erinnerungsgabe überreichte.
Eine Weihnachtsfeier vereinigte am 19. Dezember zum ersten Male in der dazu provisorisch hergerichteten neuen Aula in der Mandelstrasse eine grosse Anzahl von Schülern, Eltern und Lehrern. Studienrat Dr. Kalischer und Gesanglehrer Forck hatten Plan und Vorbereitung übernommen. Unter Benutzung mittelalterlicher, besonders schlesischer Weihnachtsspiele hatte St.R. Kalischer ein Krippenspiel bearbeitet und Gesanglehrer Forck die Musik dazu geschaffen.
Von öffentlichen Darbietungen der Schule seien noch genannt die Aufführung von Hoffmannsthals "Jedermann", an die sich am 27. und 28. Oktober unser Wandervogel mit schönem Erfolg gewagt hat, und ein vom "Bund der Freunde des Sophien-Gymnasiums" veranstaltetes wohlgelungenes Konzert, dessen Ausführung die Herren St.R. Adolf Schmidt, Gesanglehrer Forck, Pianist Herbert Pollack, Schauspieler Felix Ziege-Schier (diese beiden Herren als frühere Schüler) und der Oberprimaner Heinz Lachmann übernommen hatte. Der "Bund der Freunde", eine vor zwei Jahren gegründete Notgemeinschaft, hat gerade in dem vergangenen Jahre der Geldkatastrophe mancherlei Gutes an unserer Schule tun können: er umfasste am Schlusse des Jahres etwas über 600 Mitglieder.
Der aus zehn Mitgliedern gebildete Schülerausschuss hatte sich zum Berater den Direktor gewählt und hielt unter dessen Vorsitz mehrmals Sitzungen über Schüler- und Schulangelegenheiten ab.
Die Schulgemeinschaft hat im Laufe des Jahres dreimal unter dem Vorsitz des Direktors getagt und zwar am 17. Mai 23, 6. Oktober 23 und am 13. März 24.
Schülervereine:
Der Rudervereinigung, die sich aus Schülern der UII bis I zusammensetzt, gehörten im Berichtsjahre 11 Mitglieder an. Protektor ist Studienrat Naumann. Die der Schule gehörigen Boote liegen im Schüler-Bootshaus Niederschöneweide-Johannisthal.
Ein zweiter an der Anstalt zur Pflege der Leibesübungen gebildeter Schülerverein ist der Wandervogel am Sophien-Gymnasium, dem im Berichtsjahre 81 Schüler der verschiedenen Bekenntnisse aus den Klassen III bis I angehörten. Protektor des Vereins ist Studienrat Paul Schmidt.
10. Statistische Übersicht nach dem Stande von 1. Mai 1924
1. Das Lehrerkollegium setzt sich zusammen aus folgenden Festangestellten:
1 Oberstudiendirektor (Babick)
1 Oberstudienrat (Homeyer)
15 Studienräten (Bombe, Tatge, Dr. Werner, Dr. Samter, Naumann, Schmidt Adolf, Schmidt Paul, Kunad, Strick, Dr. Kalischer, Dr. Dobe (suspendiert), Dr. Reimer, Markert, Esselbrügge, Klink)
1 Oberschullehrer (Stern)
1 Gesanglehrer (Forck)
1 Zeichenlehrer (Wittmann)
1 Turnwart (Proske)
und ferner
1 nicht angestellter Hilfsturnlehrer (Rohmann)
2. Religionsverhältnisse der Schüler
248 Evang., 52 Kathol., 78 Israelit., 11 Dissidenten = 389
5. Schulgeldsatz:
Das Schulgeld beträgt monatlich:
12,50 M für Einheimische
15,65 M für Auswärtige
25,00 M für Ausländer