Berlinisches Gymnasium zum grauen Kloster
Ostern 1899
Jahresbericht [1898/99]
II. Verfügungen der vorgesetzten Behörden
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Verfügung des Königlichen Schulkollegiums vom 14. Juni 1898: Übersendung einer Anweisung zur Verhütung der Übertragung ansteckender Augenkrankheiten.
III. Chronik des Gymnasiums
Beurlaubungen
Im ersten Vierteljahr des Schuljahres, vom April bis zu den Sommerferien 1898, war der Herr Professor Dr. Kränzlin beurlaubt, weil er, einer Aufforderung der Direktion des hiesigen Königlichen botanischen Gartens folgend, die Ordnung und Bearbeitung einer dortigen grossen Orchideensammlung übernommen hatte und diese zeitraubende wissenschaftliche Thätigkeit mit dem Unterricht an unserer Anstalt nicht vereinigen konnte.
Während derselben Zeit musste der Oberlehrer Herr Dr. Hettwer eines hartnäckigen Halsleidens wegen von jedem Unterricht befreit werden, konnte aber zu unserer Freude nach den Sommerferien, durch einen längeren Aufenthalt an der Nordsee gekräftigt, seine Thätigkeit wieder aufnehmen.
Die Vertretung dieser beiden Lehrer hatten die Herren Dr. Ernst Schulz und Dr. Gustav Voss übernommen.
Her Professor Dr. Neubauer, dessen Gesundheitszustand leider schon seit längerer Zeit der Schonung bedürftig war, suchte im Anschluss an die Sommerferien einen längeren Urlaub nach und musste alsdann während des ganzen Winterhalbjahrs vertreten werden, da er zu seiner Herstellung eines dauernden Aufenthaltes in günstigerem Klima bedurfte. Er verweilte zumeist in Bozen, und wir geben uns der Hoffnung hin, dass seine Kur von Erfolg begleitet sein und er in nicht zu langer Zeit uns wiedergegeben werden wird.
Schulfeierlichkeiten
Am 2. September, dem Gedenktage des Sieges von Sedan, veranstaltete die Schule eine Gedächtnisfeier für den Fürsten von Bismarck. Die Worte, mit denen der unterzeichnete Direktor dabei der allgemeinen Trauer um den unvergleichlichen Mann Ausdruck zu geben versuchte, möge hier eine Stelle finden. [längere Rede]
Am 2. November wurde das märkische Reformationsfest durch eine Schulfeier begangen, bei der Herr Oberlehrer Dr. Fichte die Festrede hielt. Die vom Magistrat uns übersandte Denkmünze erhielt der Oberprimaner Fritz Thiede.
Am 27. Januar wurde der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers begangen, wobei der Herr Oberlehrer Dr. Simon die Festrede hielt.
Am 21. März wurde in der Aula des Gymnasiums der König Ödipus des Sophokles in griechischer Sprache aufgeführt. Die Personen der Tragödie wurden durch Schüler der Oberprima und Unterprima dargestellt, die Chöre wurden nach der Musik von Heinrich Bellermann durch die Männerstimmen unserer ersten Gesangklasse ausgeführt unter Leitung unseres Gesanglehrers Herrn Langelutje. Die Kostüme für die Schauspieler und für den Chor waren uns von der General-Intendantur der Königlichen Schauspiele mit dankenswerter Bereitwilligkeit gewährt worden. Dieselbe Vorstellung wurde am 22. März wiederholt.
Veränderungen im Lehrerkollegium
Die wichtigste Veränderung war das Ausscheiden des Gesanglehrers der Anstalt, des Königlichen Musikdirektors und ausserordentlichen Professors an der hiesigen Universität, Dr. Heinrich Bellermann, der zu Michaelis 1898 nach mehr als 45 jähriger Thätigkeit auf seinen Wunsch in den Ruhestand trat. [längerer Lebenslauf] Eine besonders erfreuliche Erinnerung sind ihm und allen Beteiligten die sogenannten Sängerfahrten, dreitägige Fusswanderungen zu Pfingsten, auf denen heitere und ernste Lieder aus den frischen jugendlichen Kehlen durch Feld und Wald erklangen. - Leider war ihm schon seit 1894 eine immer zunehmende Schwäche seines linken Knies bei der Ausübung seines Berufes sehr hinderlich und machte ihm das selbständige Gehen fast ganz unmöglich. Trotzdem erteilte er noch mehrere Jahre den Unterricht, wenn auch nicht immer in vollem Umfange, zum Teil in seiner Privatwohnung, mit Aufwendung grosser körperlicher Anstrengung, bis sich ihm im Sommer 1898 der Entschluss aufdrängte, aus seinem Amte zu scheiden. Die Pensionierung wurde ihm von den königlichen und städtischen Behörden in ehrenvollster Weise gewährt. Seine Majestät der Kaiser verlieh ihm den Adler der Ritter des Königl. Hausordens von Hohenzollern, das Lehrerkollegium, mit dem er stets in freundschaftlichster Weise verbunden gewesen war, bezeigte ihm seine Liebe durch ein schönes Erinnerungsgeschenk, seine früheren Schüler beschlossen, sein Reliefbild in Marmor von Künstlerhand ausführen und an geeigneter Stelle in den Räumen des Gymnasiums anbringen zu lassen. Das graue Kloster bleibt ihm für sein langjähriges unermüdliches und reichgesegnetes Wirken auf immer zu Dank verpflichtet. Wir wünschen ihm noch eine recht lange Reihe glücklicher Jahre in der bisherigen ungeschwächten geistigen Frische und in stetem Wohlergehen.
Für die durch Bellermanns Austritt erledigte Stelle wurde vom Magistrat Herr Ernst Langelütje gewählt, bisher Gesanglehrer am hiesigen Askanischen Gymnasium. [Lebenslauf]
Infolge dieses Wechsels schied zu Michaels 1898 auch Herr Paul Schaerf aus unserer Mitte, der seit Ostern 1894 den Professor Bellermann vielfach im Gesangunterricht unterstützt hatte, indem er nicht nur dauernd eine kleine Anzahl Stunden übernahm, sondern zeitweise auch, wenn eine Beurlaubung Bellermanns, besonders während der Sommermonate, es notwendig machte, den gesamten Unterricht leitete. Er hat dieser oft schwierigen Aufgabe gegenüber sachkundiges Geschick und regen Eifer bewährt und sich durch sein stets bereitwilliges Entgegenkommen und seine liebenswürdige Persönlichkeit den dauernden Dank unserer Anstalt verdient.
Von den wissenschaftlichen Hilfslehrern verliess uns zu Michaelis 1898 Herr Robert Bonke, da er zum Oberlehrer am Königstädtischen Gymnasium gewählt worden war; wir haben ihn mit den besten Wünschen in seine neue Stellung begleitet. Ebenso scheidet jetzt, zu Ostern 1899, Herr Robert Giese von uns, um einem Ruf als Oberlehrer am Luisengymnasium zu folgen. Auch diesem tüchtigen und pflichttreuen Lehrer, der uns in den zwei Jahren seines hiesigen Wirkens sehr wert geworden war, bewahren wie ein freundliches Andenken und wünschen ihm herzlich Glück zu seiner neuen Stellung. - Herr Dr. Reinhold Kern, bis Michaelis 1898 Probandus, ist seitdem als Hilfslehrer hier beschäftigt, während zu demselben Zeitpunkt Herr Dr. Wilhelm Schubart als Probandus zu uns trat.
[Zum Schluss:]
... auch das Schulgend für das nächste Vierteljahr mit 32,50 M zu entrichten.
Dr. Ludwig Bellermann.
Direktor.