Berlinisches Gymnasium zum grauen Kloster
Ostern 1898
Jahresbericht [1897/98]
III. Chronik des Gymnasiums
Schulfeierlichkeiten
Am 2. September wurde der Gedenktag des Sieges von Sedan durch eine Schulfeier begangen, bei der nach dem Gesange des "Magnificat anima mea" von Casali verschiedene Gedichte vaterländischen Inhalts vorgetragen, insbesondere Felix Dahns "Schlacht bei Sedan" durch sieben Primaner und Obersekundaner dramatisch dargestellt wurden.
Als in der letzten Septemberwoche 1897 der evangelische Gustav Adolfs-Verein seine fünfzigste Hauptversammlung abhielt, nahmen 30 Schüler und einige Lehrer an dem Festgottesdienste am 29. September in der St. Marienkirche teil, während 25 Primaner und Sekundaner den Festzug vom Rathause nach der Kirche mit Marschallstäben begleiteten.
Am 2. November wurde das märkische Reformationsfest durch eine Schulfeier begangen, bei der Herr Oberlehrer Dr. Schneider die Festrede hielt. Die vom Magistrat uns übersandte Denkmünze erhielt der Oberprimaner Gotthold Spitzer.
Am 27. Januar 1898 wurde der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers begangen, wobei der Herr Oberlehrer Dr. Stiller die Festrede hielt.
Veränderungen im Lehrerkollegium
Veränderungen im Kollegium der angestellten Lehrer sind im verflossenen Schuljahre nicht vorgekommen. Dagegen haben wir den Tod zweier Männer zu beklagen gehabt, von denen der erste, nachdem er fast fünfzig Jahre Mitglied unseres Kollegiums gewesen war, sich seit kurzem der wohlverdienten Ruhe eines ehrenvollen Alters erfreute, während der andere seit siebzehn Jahren den an unserer Schule durch Streit eingeführten Unterricht in der italienischen Sprache erteilt hatte.
1. Die treu gemeinten Wünsche, die im Jahresbericht 1896 für den Professor Dr. Rudolf Bollmann, den langjährigen Senior unseres Kollegiums, ausgesprochen wurden, sollten nicht in Erfüllung gehen. Bereits im September 1896 erlitt der Sechsundsiebzigjährige, der bisher staunenswerte Frische an Körper und Geist bewahrt hatte, einen Anfall von Herzschwäche, und obwohl seine gute Natur anfangs noch Hoffnung auf Überwindung des Übels gab, wiederholten sich doch die Anfälle von starker und quälender Atemnot, bis er am 29. April 1897 ganz sanft und schmerzlos durch den Tod erlöst wurde. - Über den Lebensgang des Entschlafenen und seine Verdienste um unsere Anstalt verweise ich auf den Jahresbericht von 1896. Wir werden ihm ein dankbares und ehrenvolles Andenken bewahren.
2. Professor Dr. Hermann Buchholtz war 1837 zu Wittenberg geboren, studierte in Halle und Berlin und war nach einigen andern auswärtigen Stellungen seit den siebziger Jahren in Berlin als Dozent an der Akademie für moderne Philologie beschäftigt, später aber ohne öffentliches Amt als Privatlehrer thätig. Er hat sich in der Wissenschaft durch mancherlei Schriften bekannt gemacht; ich nenne sein dreibändiges Werk "De priscae latinitatis origine", seine Schrift über "Die Tanzkunst des Euripides" und seine Grammatik der italienischen Sprache. Auch als lyrischer Dichter ist er mit zwei Sammlungen ("Die Leiter" und "Der Weltwitz") an die Öffentlichkeit getreten. - Zu Ostern 1880 übernahm er den italienischen Unterricht am grauen Kloster. Eine feinsinnige, für Wissenschaft und Kunst gleich empfängliche Natur, wusste er seine Schüler mit Geschick in die Eigentümlichkeit der Sprache und in die Schönheit der mit ihnen gelesenen Schriftsteller einzuführen. Mit den Lehrern unseres Gymnasiums stand er stets im besten kollegialischen Einvernehmen, mit manchem von ihnen war er in herzlicher Freundschaft verbunden. Wir alle schätzten an ihm die gewinnende Liebenswürdigkeit und das rücksichtsvolle Entgegenkommen, das seine Persönlichkeit bezeichnete, ebenso wie die Treue und Ehrenhaftigkeit seines Charakters. Um Weihnachten 1896 zeigten sich bei ihm zuerst die Spuren einer tiefgehenden Erkrankung, die besonders in einer Schwäche seines Sehvermögens hervortrat und zugleich auch auf die Gehirnthätigkeit einwirkte, dergestalt, dass er schon vor Ostern 1897 seinen Unterricht aufgeben musste. Das Übel nahm zu trotz eines längeren Aufenthalts in einer auswärtigen Heilanstalt, und am 13. August v. J. befreite ihn ein sanfter Tod von seinen Leiden. Das graue Kloster wird auch ihm ein treues und ehrenvolles Andenken bewahren.
Den Unterricht im Italienischen hat seit Ostern 1897 der Oberlehrer Herr Dr. Stiller übernommen.
Von den wissenschaftlichen Hilfslehrern verliessen uns zu Ostern 1897 die Herren Dr. Röhr und Dr. Köppen. Der erstere hatte seit Ostern 1890 dem grauen Kloster seine Thätigkeit gewidmet und wurde Ostern 1897 als Oberlehrer an das Luisenstädtische Realgymnasium berufen; der zweite, der seit Ostern 1894 hier beschäftigt war, ist jetzt für eine Oberlehrerstelle am Gymnasium zu Steglitz gewählt. Wir bewahren beiden tüchtigen und pflichttreuen Männern ein freundliches Andenken und haben sie mit den besten Wünschen in ihre neuen Stellungen begleitet. - An ihre Stellen traten ein die Herren Robert Bonke und Robert Giese. Seit Michaelis 1897 ist Herr Dr. Reinhold Kern als Probandus hier beschäftigt.
Einen lieben Schüler haben wir durch den Tod verloren. Walther Fischer, Sohn des hiesigen Rektors Herrn Fischer, der seit Ostern 1895 unser Schüler war und zuletzt in Oberquinta sass, wurde nach langer und schwerer Krankheit am 13. Februar d. J. im Alter von zwölf Jahren von einer Lungenentzündung hingerafft. Er war ein freundlicher, wohlgesitteter Knabe von treuem Sinn und liebenswürdigem Wesen; wir haben an dem tiefen Schmerz der Eltern den innigsten Anteil genommen.
[Zum Schluss:]
... auch das Schulgeld für das nächste Vierteljahr mit 32,50 M zu entrichten.
Dr. Ludwig Bellermann.
Direktor.