Samstag, 6. September 2025

1902/03

Berlinisches Gymnasium zum grauen Kloster
Ostern 1903
Jahresbericht [1902/03]

III. Chronik des Gymnasiums
1. Schulfeierlichkeiten und andere Veranstaltungen
Am 19. Juni nahm eine grössere Anzahl unserer Primaner und Sekundaner an einem von vielen höheren Lehranstalten Berlins veranstalteten Wett-Barlaufspiel teil und errang dabei wie im vorigen Jahre, so auch diesmal wieder als Siegespreis den im Jahre 1896 von dem Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele gestifteten "Bismarckschild", der das Reliefbild des grossen Kanzlers zeigt nebst seinem Wahlspruch Patriae inserviendo consumor, und den jedesmal die siegreiche Anstalt bis zum Wettspiel des folgenden Jahres im Besitz behält.

Der 2. September, der Gedenktag des Sieges von Sedan, wurde durch Ausfall der Schule und durch Ausflüge der einzelnen Klassen gefeiert.

Am 2. November wurde das Märkische Reformationsfest durch eine Schulfeier begangen, bei der Herr Prof. Dr. Meyer die Festrede hielt. Die vom Magistrat übersandte Denkmünze erhielt der Oberprimaner Heinrich Scholz.

Im November 1902 wurden auf Veranlassung des Herrn Ministers und auf Anordnung des Königl. Provinzial-Schulkollegiums in der Aula unseres Gymnasiums vier Vorträge über Gesundheitspflege unentgeltlich gehalten. Der Vortragende, Oberarzt am Hygienischen Institut der Universität, Herr Dr. Ficker, sprach über die Ernährung, die Körperpflege, die Hygiene der Arbeit und der Sinnesorgane, über die Mikroorganismen und ihre Bedeutung für die Gesundheit des Menschen. Die Vorträge fanden unter den Schülern der oberen Klassen und ihren Angehörigen sowie unter den Lehrern der Anstalt rege Beteiligung.

Am 28. November wurde durch eine Anzahl von Primanern und Sekundanern "Wallensteins Lager" aufgeführt und diese Aufführung am 29. wiederholt. Der Eintrittspreis ergab nach Abzug der erheblichen Kosten für eine einfache Bühneneinrichtung und die Kostüme einen Ertrag von 90 M, welche der Schülerbibliothek zugewiesen wurden.

Am 27. Januar wurde der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers gefeiert, wobei der Herr Professor Dr. Nohl die Festrede hielt.

2. Veränderungen im Lehrerkollegium
Veränderungen im Kollegium der angestellten Lehrer sind im verflossenen Schuljahre nicht vorgekommen.

Dagegen haben wir den Tod eines Mannes [Rudolf Franz] zu beklagen gehabt, der fast zweiundvierzig Jahre lang Mitglied unseres Kollegiums war und auch, nachdem er vor länger als einem Jahrzehnt in den Ruhestand getreten war, niemals aufgehört hatte, in herzlicher, freundschaftlicher Beziehung zum grauen Kloster zu stehen. [Lebenslauf] Als er im Jahre 1892 in den Ruhestand trat, war er der zweite Professor des Gymnasiums. - Er hat während seiner langen Dienstzeit den Unterricht in seinen Lehrfächern auf allen Stufen erteilt und 35 Jahre lang die Prima in der Mathematik und Physik geleitet. Der Grundzug seiner Persönlichkeit war schlichtes Wohlwollen und Milde, und so stand er seinen Schülern, die er in ernster wissenschaftlicher Arbeit zu fördern wusste, mit wahrhaft väterlicher Gesinnung gegenüber. Seinen Amtsgenossen war er ein zuverlässiger Freund und durch die Reinheit seines Charakters bei allen hochgeschätzt. Dem grauen Kloster, der Stätte seiner Jugendbildung und seiner Wirksamkeit, hat er stets die treueste Anhänglichkeit bewahrt, und sein wohlwollender Sinn kam der Schule vielfach zu Gute, insbesondere der Witwenkassen, sowie der Sängerfahrskasse, die durch seine Wohltätigkeit ins Leben gerufen wurde; auch die Schuluhr und das Ölgemälde des Direktors Bonitz hat er der Schule geschenkt. Seine Gesundheit war seit mehreren Jahren stark erschüttert, doch fand er immer wieder Erholung und Kräftigung auf seinem schönen Sommerlandsitz in Thüringen, wo er gern im glücklichen Familienkreise weilte. Am 31. Dezember 1902 machte ein sanfter und schmerzloser Tod seinem Leben ein Ende. Wir bleiben ihm für seine erfolgreiche Tätigkeit und für die mannigfachen Beweise edler uneigennütziger Gesinnung zum herzlichsten Dank verpflichtet. Sein Andenken wird am grauen Kloster nicht erlöschen.

Von den wissenschaftlichen Hilfslehrern verliess uns zu Ostern 1902 Herr Ernst Zeck, der seit Michaelis 1899 hier tätig gewesen war, das erste Jahr als Probandus, sodann als Hilfslehrer. Wir haben den tüchtigen und pflichttreuen Mann, der am Leibnizgymnasium als Oberlehrer Anstellung fand, mit den besten Wünschen in sein neues Amt begleitet. Ebenso schieden zu Ostern 1902 die Herren Dahms, Nerlich und Dr. Wünn von uns, während der Hilfslehrer Herr Dr. Schnuchel zu uns trat, uns aber schon mit dem Ende des Sommers wieder verliess. Da zu Michaelis 1902 eine Prima wegen zu grosser Schülerzahl geteilt werden musste und deshalb neue Lehrkräfte erforderlich wurden, so übernahmen die Hilfslehrer Herr Dr. Paul Mertens und Georg Türcke sowie der städtische Gemeindeschullehrer Herr Koch eine Anzahl von Unterrichtsstunden. - Dem Herrn Oberlehrer Dr. Simon wurde unterm 19. Dez. 1902 das Prädikat als Professor verliehen.

Der regelmässige Unterricht wurde bei zwei Lehrern auf längere Zeit unterbrochen: 1) der Herr Professor Fichte erhielt von den Königlichen und Städtischen Behörden Urlaub, um während der Zeit von Michaelis bis Weihnachten 1902 nach Frankreich zu gehen, wo er sich, zumeist in Paris, seiner weiteren Ausbildung in der Kenntnis und im Gebrauch der französischen Sprache widmete. 2) Der Oberlehrer Herr Dr. Ullrich war zu unserem grössten Bedauern durch ein Augenübel vom Ende Januar bis jetzt verhindert, seinen amtlichen Obliegenheiten nachzukommen. Wir freuen uns, dass seine Besserung so sicher fortgeschritten ist, dass er nach Ostern seinen Unterricht wieder in vollem Umfange wird aufnehmen können. - Die Vertretung beider Kollegen wurde zum grössten Teil durch die Herren Dr. Mertens und Türcke versehen; im letzten Vierteljahr übernahm auch noch Herr Dr. Bleich wöchentlich 4 Stunden.

Zwei liebe Schüler haben wir durch den Tod verloren. 1) Fritz Lange, Sohn des hiesigen Lehrers Herrn Lange, seit Michaelis 1898 unser Schüler, zuletzt in Quarta O, starb 14 Jahre alt am 12. Oktober 1902, an den Folgen einer Nierenerkrankung. 2) Arthur Lück, Sohn des hiesigen Kriminalschutzmanns Herrn Lück, seit Ostern 1896 unser Schüler, zuletzt in Ober-Sekunda O, verschied nach langem schweren Leiden an einer Lungenkrankheit am 28. November 1902. Wir haben an dem Schmerz der Eltern in beiden Fällen den innigsten Anteil genommen.

[Zum Schluss:]
... auch das Schulgeld für das nächste Vierteljahr mit 32,50 Mark zu entrichten.

Dr. Ludwig Bellermann,
Direktor