Samstag, 6. September 2025

1892/93

Jahresbericht
des
Berlinischen Gymnasiums
zum grauen Kloster
für das Schuljahr Ostern 1892 bis Ostern 1893

II. Verfügungen der vorgesetzten Behörden.
Königl. Schul-Kollegium vom 17. April 1892. Da durch das Reisen der auswärtigen Schüler nach dem Schluss der Ferien die Sonn- und Feiertagsheiligung nicht selten beeinträchtigt, der Besuch des Gottesdienstes durch die Schüler erschwert und die betreffenden Familien in gewisse Unruhe versetzt werden, so ist durch den Ministerialerlass vom 15. Januar d. J. angeordnet worden, dass der Schulunterricht nach den Ferien nicht am Montag, sondern am Dienstag zu beginnen hat.

III. Chronik des Gymnasiums
Schulfeierlichkeiten. Am 14. Juni 1891[!], dem Sterbetage des Kaisers Friedrich III., hielt Dr. Kerckhoff die Festrede. - Am 2. September wurde der Tag von Sedan durch Deklamation und Gesang gefeiert. - Am 18. Oktober, dem Geburtstage Kaiser Friedrichs III., hielt Dr. Fichte die Festrede. - Am 2. November wurde die Einführung der Reformation in die Mark Brandenburg gefeiert; die Festrede hielt Prof. Bollmann und die von dem Hochedlen Magistrat gesandte Denkmünze wurde dem Oberprimaner Müller verliehen. - An dem Geburtstage Sr. Majestät des Kaisers und Königs hielt Dr. Simon II. die Festrede. - Am 9. und 22. März 1893 werden Gedächtnisfeierlichkeiten für Kaiser Wilhelm I. abgehalten werden; Dr. Simon und Dr. Kerckhoff haben die Festreden übernommen.

1. Veränderungen im Lehrerkollegium
Am 17. März 1892 entschlief im 52. Lebensjahre Adolf Dorner, der Turnwart der Turnhalle in der Elisabethstrasse, in welcher auch die Schüler des grauen Klosters ihren Turnunterricht erhalten. Er hat sich durch seine umsichtige Leitung des Turnunterrichts, durch seine geschickte Einrichtung der Turnspiele und die Ruhe und Freundlichkeit, die er beim Unterricht stets bewahrte, ein ehrenvolles Andenken bei den Lehrern und Schülern des grauen Klosters gesichert.

Am 17. November 1892 entschlief im 62. Lebensjahre der Gemeindelehrer Leopold Kätzke. Er ist seit Ostern 1872 auch Schreiblehrer am grauen Kloster gewesen und hat sich in diesem Amte durch seinen geschickten und erfolgreichen Unterricht und durch seinen biederen und freundlichen Charakter die Achtung seiner Kollegen und die Liebe seiner Schüler in hohem Masse erworben.

Am 1. April 1892 ist der 2. Professor der Anstalt Dr. Rudolf Franz nach 40jähriger rühmlichster Amtsführung auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt worden. Er war ein kenntnisreicher, geschickter und gewissenhafter Lehrer, seinen Schülern zugethan wie ein Vater und seinen Amtsgenossen der zuverlässigste Freund; er wird allen, die mit ihm gearbeitet oder von ihm gelernt haben, unvergesslich bleiben.

Am 1. Oktober 1892 ist der ordentliche Lehrer Dr. Max Ruge, der seit Ostern 1878 Mitglied des Kollegiums war, wieder ausgeschieden, um das Amt eines Schulinspektors in Berlin zu übernehmen. Er unterrichtete mit gründlicher Sachkenntnis, besonnen und geschickt; er hielt die Ordnung in seinen Klassen ohne Anwendung harter Mittel, lediglich durch seinen freundlichen Ernst musterhaft aufrecht; er nahm an allen Angelegenheiten der Schule lebhaft Anteil und unterzog sich dafür oft mühevoller Arbeit, auch wenn irgend welcher Lohn nicht in Aussicht stand. So hat er sich die Hochachtung und Freundschaft seiner Kollegen und die Liebe seiner Schüler in hohem Grade erworben.

VII. Mitteilungen an die Schüler und an deren Eltern
2. ... Das Schulgeld beträgt 100 M jährlich...

5. Auszug aus dem Circular-Erlasse des Hohen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten vom 29. Mai 1880. Die Strafen, welche die Schulen verpflichtet sind, über Teilnahme an Verbindungen zu verhängen, treffen in gleicher oder grösserer Schwere die Eltern als die Schüler selbst. Es ist zu erwarten, dass dieser Gesichtspunkt künftig ebenso, wie es bisher öfter geschehen ist, in Gesuchen um Milderung der Strafe wird zur Geltung gebracht werden, aber es kann demselben eine Berücksichtigung nicht in Aussicht gestellt werden. Den Ausschreitungen vorzubeugen, welche die Schule, wenn sie eingetreten sind, mit ihren schwersten Strafen verfolgen muss, ist Aufgabe der Eltern oder ihrer Stellvertreter. In die Zucht des Elternhauses selbst mehr als durch Rat, Mahnung und Warnung einzugreifen, liegt ausserhalb des Rechtes und der Pflicht der Schule, und selbst bei auswärtigen Schülern ist die Schule nicht in der Lage, die unmittelbare Aufsicht über ihr häusliches Leben zu führen, sondern sie hat nur deren Wirksamkeit durch ihre Anordnungen und ihre Kontrolle zu ergänzen. Selbst die gewissenhaftesten und aufopferndsten Bemühungen der Lehrerkollegien, das Unwesen der Schülerverbindungen zu unterdrücken, werden nur teilweise und unsicheren Erfolg haben, wenn nicht die Erwachsenen in ihrer Gesamtheit, insbesondere die Eltern der Schüler, die Personen, welchen die Aufsicht über auswärtige Schüler anvertraut ist, und die Organe der Gemeindeverwaltung, durchdrungen von der Überzeugung, dass es sich um die sittliche Gesundheit der heranwachsenden Generation handelt, die Schule in ihren Bemühungen rückhaltlos unterstützen. ... Noch ungleich grösser ist der moralische Einfluss, welchen vornehmlich in kleinen und mittleren Städten die Organe der Gemeinde auf die Zucht und gute Sitte der Schüler an den höheren Schulen zu üben vermögen. Wenn die städtischen Behörden ihre Indignation über zuchtloses Treiben der Jugend mit Entschiedenheit zum Ausdrucke und zur Geltung bringen, und wenn dieselben und andere um das Wohl der Jugend besorgte Bürger sich entschliessen, ohne durch Denunziation Bestrafung herbeizuführen, durch warnende Mitteilung das Lehrerkollegium zu unterstützen, so ist jedenfalls in Schulorten von mässigem Umfange mit Sicherheit zu erwarten, dass das Leben der Schüler ausserhalb der Schule nicht dauernd in Zuchtlosigkeit verfallen kann.

Berlin, den 1. März 1893
Friedrich Hofmann